Strafverbüssung im Heimatstaat auch ohne Einverständnis der verurteilten Person - Bundesrat genehmigt Zusatzprotokoll zum Überstellungsübereinkommen

Bern, 15.06.2001 - Verurteilte Personen, die in ihren Heimatstaat fliehen oder nach der Strafvollstreckung aus dem Urteilsstaat ausgewiesen würden, müssen künftig damit rechnen, auch ohne ihr Einverständnis ihre Strafe im Heimatstaat verbüssen zu müssen. Diese Möglichkeit sieht das Zusatzprotokoll zum Überstellungsübereinkommen des Europarats vor, das der Bundesrat am Freitag genehmigt hat. Das Zusatzprotokoll muss nach der Unterzeichnung noch vom Parlament genehmigt werden.

Das Übereinkommen des Europarats über die Überstellung verurteilter Personen ermöglicht es ausländischen Strafgefangenen, ihre Strafe im Heimatstaat zu verbüssen. Das Übereinkommen dient einem humanitären Zweck und will die Wiedereingliederung von Strafgefangenen in die Gesellschaft fördern. Voraussetzung für eine Überstellung zur Strafvollstreckung im Heimatstaat ist die Zustimmung der im Ausland verurteilten Person sowie das Einverständnis des Urteils- und des Heimatstaates.

Die Praxis zeigt, dass in zwei Fällen, die vom Übereinkommen nicht abgedeckt werden, eine Übertragung der Strafvollstreckung an den Heimatstaat der verurteilten Person auch ohne deren Einverständnis sinnvoll wäre:

  • wenn die verurteilte Person aus dem Urteilsstaat in ihren Heimatstaat flieht und sich so der Strafverbüssung entzieht;
  • wenn die verurteilte Person nach der Strafverbüssung ohnehin den Urteilsstaat verlassen muss (zum Beispiel aufgrund einer fremdenpolizeilichen Ausweisung) und daher ein wichtiges Ziel des Strafvollszugs, die Wiedereingliederung des Straftäters in die Gesellschaft, nur beschränkt erfolgen kann.

Bessere Resozialisierung und Beitrag zur Entlastung schweizerischer Strafanstalten

Aus diesem Grund ist unter massgeblicher Beteiligung der Schweiz ein Zusatzprotokoll zum Übereinkommen ausgearbeitet worden. Das Zusatzprotokoll ermöglicht es dem Urteils- und Heimatstaat, sich in diesen zwei Fällen über die Strafvollstreckung im Heimatstaat der verurteilten Person ohne deren Einverständnis zu einigen. Bisher haben 10 Staaten das Zusatzprotokoll ratifiziert und 16 weitere Staaten unterzeichnet (Stand: Ende April 2001). Das Zusatzprotokoll schliesst nicht nur Lücken in der Strafvollstreckung, sondern dient auch der Resozialisierung: Die Wiedereingliederung im Heimatstaat wird am ehesten erreicht, wenn die verurteilte Person die Strafe bereits im gewohnten sozialen und kulturellen Umfeld verbüsst. Die Anwendung des Zusatzprotokolls sollte zudem in der Schweiz eine Reduktion des hohen Anteils ausländischer Strafgefangener (der heute in einzelnen Strafanstalten bis zu 85 Prozent beträgt) sowie eine abschreckende Wirkung auf kriminelle Ausländer ohne Wohnsitz in der Schweiz (Kriminaltouristen) zur Folge haben.


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Letzte Änderung 30.01.2024

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