Unverjährbarkeitsinitiative wird umgesetzt; Bundesrat schickt Gesetzesrevision in die Vernehmlassung

Bern, 26.05.2010 - Schwerer sexueller Missbrauch von Kindern soll unverjährbar sein, wenn zum Zeitpunkt der Tat das Opfer weniger als zehn Jahre alt, der Täter volljährig und die Straftat am 30. November 2008 noch nicht verjährt waren. So beabsichtigt der Bundesrat die Unverjährbarkeitsinitiative zu konkretisieren und umzusetzen. Er hat am Mittwoch die erforderliche Gesetzesrevision in die Vernehmlassung geschickt.

Am 30. November 2008 haben Volk und Stände die Volksinitiative "Für die Unverjährbarkeit pornografischer Straftaten an Kindern" angenommen. Damit ist der neue Artikel 123b der Bundesverfassung ("Die Verfolgung sexueller oder pornografischer Straftaten an Kindern vor der Pubertät und die Strafe für solche Taten sind unverjährbar.") in Kraft getreten. Nach Ansicht des Bundesrates muss der Verfassungsartikel aber noch durch eine Revision des Strafgesetzbuches und des Militärstrafgesetzes konkretisiert werden. Insbesondere müssen im Interesse der Rechtssicherheit und einer einheitlichen Rechtsanwendung die unbestimmten Begriffe "Kinder vor der Pubertät" und "sexuelle und pornografische Straftaten" genauer bestimmt werden.

Klares und leicht anwendbares Kriterium

Da der Begriff "Kinder vor der Pubertät" in der Schweizer Rechtsordnung nicht bekannt ist, könnte er durch die Strafbehörden unterschiedlich ausgelegt werden. Dies würde zu einer Rechtsunsicherheit auf Seiten des Opfers und auch des Täters sowie zu Ungleichbehandlungen führen. Zudem wäre es für die Behörden schwierig zu beweisen, dass sich das Opfer zum Zeitpunkt der Tat noch nicht in der Pubertät befunden hat. Der Bundesrat will deshalb ein eindeutig anwendbares Kriterium auf Gesetzesstufe festlegen. Gestützt auf die wissenschaftliche Literatur schlägt er vor, dass als vorpubertäres Kind ein Kind unter zehn Jahren zu gelten hat. Für diese Altersgrenze spricht weiter die Tatsache, dass das Jugendstrafgesetz die untere Strafmündigkeitsgrenze ebenfalls auf zehn Jahre festlegt. Diese Altersgrenze wurde bei der Ausarbeitung des Gesetzes unter anderem mit dem durch die Pubertät geprägten Übergang vom Kindes- zum Jugendalter begründet.

Katalog unverjährbarer Straftaten

Für die Strafbehörden sowie für Opfer und Täter ist es ebenso wichtig zu wissen, was unter "sexuellen und pornografischen Straftaten" zu verstehen ist. Aus der neuen Verfassungsbestimmung und aus den Zielen der Volksinitiative lässt sich ableiten, dass es sich um schwere sexuelle Straftaten handelt, die an einem Kind begangen worden sind. Aufgrund dieser Kriterien schlägt der Bundesrat vor, dass folgende Straftaten als unverjährbar gelten sollen: sexuelle Handlungen mit Kindern, sexuelle Nötigung, Vergewaltigung, Schändung, sexuelle Handlungen mit Anstaltspfleglingen, Gefangenen oder Beschuldigten sowie Ausnützung der Notlage.

Sonderregelung für unmündige Täter

In Bezug auf unmündige Täter will der Bundesrat die geltende Regelung des Jugendstrafgesetzes beibehalten, welche die Interessen der Opfer und der Täter ausgewogen berücksichtigt: Das Opfer kann bis zum 25. Altersjahr eine Anzeige erstatten, und der Täter erhält die Möglichkeit, sich wieder in die Gesellschaft einzugliedern, ohne auf unbestimmte Zeit die Eröffnung eines Strafverfahrens befürchten zu müssen.

Übergangsbestimmung kommt Opfern entgegen

Eine Übergangsbestimmung soll schliesslich festlegen, dass die Unverjährbarkeit auch für jene Straftaten gilt, die vor dem 30. November 2008 begangen worden sind, aber zu jenem Zeitpunkt noch nicht verjährt waren. Eine Ausdehnung der Unverjährbarkeit auf Straftaten, die vor dem 30. November 2008 bereits verjährt waren, wäre hingegen mit der Europäischen Menschenrechtskonvention bzw. mit der aktuellen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nicht vereinbar.


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Letzte Änderung 30.01.2024

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