Statement Bundesrätin Sommaruga zur Aufhebung des Cabaret-Tänzerinnen-Statuts

Bern, 22.10.2014 - Medienkonferenz vom 22. Oktober 2014. Es gilt das gesprochene Wort.

Sehr geehrte Damen und Herren

Es ist dem Bundesrat ein wichtiges Anliegen, dass wir Frauen im Erotikbereich schützen, und zwar besser als heute. Es mag nun paradox erscheinen, dass der Bundesrat heute entschieden hat, das Cabaret-Tänzerinnen-Statut aufzuheben. Ein Statut, das ursprünglich ausgearbeitet wurde, um genau diese Menschen zu schützen. Die aktuelle Regelung erlaubt es Frauen aus Drittstaaten, für maximal 8 Monate im Jahr in der Schweiz als Cabaret-Tänzerinnen tätig zu sein.

Die Aufhebung des Status wird schon sehr lange diskutiert, denn es gab seit längerer Zeit Hinweise auf Missbräuche. Ein Bericht 2009 führte haarsträubende Zustände vor Augen und zeigte, dass die Realität im Cabaretbereich in einem krassen Gegensatz zur geltenden Rechtslage steht.

Erlauben Sie mir noch eine zweite Vorbemerkung: Die Schweiz ist heute das einzige europäische Land, das eine solche Regelung kennt. Wir müssen uns bewusst sein, was diese Regelung bedeutet: heute haben Frauen aus Drittstaaten zwei Möglichkeiten, um in der Schweiz legal zu arbeiten: Entweder sie sind hoch qualifiziert oder sie sind bereit, sich im Cabaret auszuziehen. Diese Tänzerinnen werden sehr häufig auch zur Prostitution und zur Alkoholanimation gezwungen. Ich finde diese Situation unglaublich stossend und auch für die betroffenen Frauen entwürdigend.

Fehlende Schutzwirkung

Kommen wir zurück: Das Statut wurde ursprünglich zum Schutz der Frauen vor Ausbeutung geschaffen. Diverse polizeiliche und kantonale Untersuchungen haben aber gezeigt, dass das Statut seine Schutzwirkung nicht bzw. nicht mehr erfüllt. Im Gegenteil, das Statut begünstigt die Ausbeutungssituationen und den Menschenhandel. Es schützt also nicht mehr die Richtigen und es vermittelt einen falschen Eindruck von Sicherheit. 2012 hat der Bundesrat deshalb beschlossen, dass er dieses Statut aufheben will und schickte die revidierte Verordnung in die Vernehmlassung.

Die Stellungnahmen der Vernehmlassung waren zahlreich und kontrovers. Auch die verschiedenen Organisationen, die sich für die Rechte der Frauen einsetzen, waren unterschiedlicher Meinung. Das gab mir zu denken. Eines machte die Vernehmlassung sehr deutlich: dass die Situation im ganzen Erotikbereich prekär ist und dass Handlungsbedarf besteht. Es ist mir persönlich ein grosses Anliegen, die Frauen in diesen prekären Situationen besser zu schützen. Ich habe deshalb letzten Sommer eine Expertengruppe zu diesem Thema eingesetzt, um die vielen und berechtigten Fragen nochmals vertieft abzuklären.  

Expertengruppe

Die Expertengruppe unter der Leitung von alt-RR Kathrin Hilber hatte den Auftrag, Schutzmassnahmen für Arbeiterinnen im Erotikgewerbe zu prüfen. Die Gruppe setzte sich zusammen aus Behörden des Bundes, der Kantone, Sozialpartnern und Frauenschutzorganisationen. In ihrem Bericht vom März dieses Jahres empfiehlt eine Mehrheit der Experten 26 Schutzmassnahmen. Eine dieser Massnahmen ist die Aufhebung des Cabaret-Tänzerinnen- Statuts. Die Ergebnisse der Untersuchungen zeigten nämlich, dass das Statut erhebliches Missbrauchspotenzial in sich birgt. Die Frauen werden zu einem grossen Teil ausgebeutet. Polizeiliche Erkenntnisse zeigen, dass die Frauen in einer Mehrheit der Schweizer Cabarets zur Prostitution und zum Alkoholkonsum gezwungen werden. Sie werden also ausgebeutet und sie werden in die Illegalität gedrängt. Oft wird ihnen zudem der Lohn nicht ausbezahlt. Die Kontrolle dieses Statuts ist nur schwer möglich, weil kaum Beweise und Aussagen in diesem Gebiet vorhanden sind. Die Polizei kann so nur sehr selten zum Einsatz gelangen.

Weil die Schutzwirkung ungenügend ist, wenden bereits heute beinahe die Hälfte der Kantone das Cabaret-Tänzerinnen-Statut nicht mehr an. Der Bundesrat will nun seine Verantwortung gegenüber den potenziellen Opfern wahrnehmen und er hebt das Cabaret-Tänzerinnen-Statut auf.

Es ist klar: Mit der Aufhebung des Statuts allein sind selbstverständlich längst nicht alle Probleme im Erotikbereich gelöst. Und deshalb will der Bundesrat verschiedene Schutzmassnahmen einführen, die für alle Frauen im Erotikgewerbe - und übrigens auch für die Männer - gelten.  

Massnahmen zum Schutz der Frauen

Die wohl wichtigste Aufgabe kommt den Frauenschutzorganisationen zu. Ihre Rolle soll gestärkt werden, weil sie haben eine Schlüsselrolle für den Schutz der Frauen in prekären Situationen und nicht zuletzt auch im Kampf gegen den Menschenhandel. Aus diesem Grund wird eine neue Verordnung über Massnahmen zur Prävention von Straftaten in der Prostitution geschaffen. Neu will der Bundesrat die Präventionsarbeit der Frauenschutzorganisationen durch den Bund finanziell unterstützen. Was die internationale Ebene angeht, denke ich vor allem an eine verstärkte Zusammenarbeit mit den Behörden und zum Beispiel den Frauenschutzorganisationen der Hauptherkunftsländer. Zudem soll auch unser Botschaftspersonal in eben diesen Ländern auf Ausbeutungssituationen und Menschenhandel sensibilisiert werden.

Schliesslich stösst der Bundesrat, auf die Empfehlungen der Expertengruppe hin, auch eine Revision des Ausländergesetzes an. Personen, die bei ihrer Erwerbstätigkeit Opfer von Straftaten im Sinne des Opferhilfegesetzes werden, sollen künftig die Möglichkeit erhalten, Rückkehrhilfe oder eine Aufenthaltsregelung zu beantragen.

Sie sehen, der Bundesrat präsentiert heute eineVorlage, die die Situation der von Ausbeutungssituationen gefährdeten Frauen - und auch Männer - stärken soll.

Inkrafttreten

Der Bundesrat hat im Interesse der Frauen, die jetzt schon in der Schweiz sind, und der Cabaretbetreiber entschieden, eine Übergangsfrist von etwas mehr als einem Jahr zu gewähren. Die Aufhebung des Cabaret-Tänzerinnen-Statuts tritt somit am 1. Januar 2016 in Kraft. Diese Übergangsfrist erlaubt es allen Betroffenen, sich der neuen rechtlichen Situation anzupassen. 


Adresse für Rückfragen

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Letzte Änderung 19.01.2023

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