Das Bundesprogramm «Periurban»

«Periurban» ist ein Begriff aus der Raumplanung. Er beschreibt Regionen, die geografisch an Städte und Agglomerationen angrenzen. Solche Regionen sind weitgehend ländlich geprägt. Wegen der guten Verkehrsanbindung sind sie für Neuzuziehende aber überaus attraktiv. Die hohe Mobilität in periurbanen Regionen wirkt sich auf die Identität der Gemeinden sowie die Strukturen und Angebote in allen Lebensbereichen aus: auf das Wohnen, das Arbeiten und das Zusammenleben.

Für die Integration von Zugewanderten und ein gutes Zusammenleben müssen periurbane Gemeinden regional planen und koordiniert zusammenarbeiten. Denn: Die Bewohnerinnen und Bewohner orientieren sich an funktionalen Räumen – und nicht an den Gemeindegrenzen. Regionale Angebote senken zudem die Kosten für die einzelnen Gemeinden.

Kaum Integrationsförderung im ländlichen Raum

Viele der periurbanen Regionen haben sich in den vergangenen Jahren stark verändert. Wachsende Bevölkerungszahlen in manchen, Abwanderung und Überalterung in anderen Regionen schufen soziale und strukturelle Herausforderungen. Die Eidgenössische Migrationskommission EKM registrierte, dass diese Entwicklung die Aufgaben der Gemeinden beeinflusste, insbesondere im Bereich des Zusammenlebens.

Um koordinierte regionale Entwicklungen mit Anreizen (finanzielle Mittel, Begleitung, regionaler Austausch) zu fördern, wurde 2008 das Programm «Periurban» auf den Weg gebracht. Vor «Periurban» adressierte die Integrationsförderung vornehmlich die Städte und Agglomerationen, wo denn auch entsprechende Strukturen entstanden. Ländliche und periurbane Regionen hingegen waren noch Brachland. Erst mit den kantonalen Integrationsprogrammen im Jahr 2013 wurden Voraussetzungen geschaffen, um Integrationsschwerpunkte wie Sprache, Bildung und Arbeit auch ausserhalb der Kernstädte systematisch zu fördern.

Entwicklungsprozesse dank «Periurban»

«Periurban» zielte darauf ab, das Zusammenleben von Ansässigen und Zugewanderten zu verbessern und zur Stärkung des sozialen Zusammenhalts beizutragen. Die Regionen konnten ihre Ziele bedarfsorientiert an den Teilzielen des Programms ausrichten. «Periurban» wurde ergebnisoffen gestaltet und wollte einen mehrjährigen Prozess anstossen.

Diese Projektanlage regte – ganz ohne Erfolgsdruck – Entwicklungsprozesse an. Die offene Herangehensweise ermöglichte Experimente und schuf Voraussetzungen für das Sammeln von Erfahrungen. In der Praxis zeigte sich rasch, was sich bewährt und was eher weniger. Erfolgreiche Projektteile wurden denn auch oft in feste Strukturen überführt und zu Angeboten weiterentwickelt, die noch heute Bestand haben. Diese Ergebnisoffenheit förderte Innovationen. «Periurban» war ein gut strukturiertes Versuchslabor.

Gesellschaftliche Entwicklung bestimmt den Inhalt

Die inhaltliche Entwicklung der Projekte bildet die Neuausrichtung der Integrationspolitik in den vergangenen Jahren ab: Weg vom Konzept der Integration als einseitiger Anpassungsprozess – hin zu einer interkulturellen Gesellschaft, in der die Teilhabe der gesamten Bevölkerung im Mittelpunkt steht.

In den ersten Jahren von «Periurban» (2008–2013) wurden vordringlich Aktivitäten für die Integration von Zugewanderten entwickelt. So wurden etwa Unterlagen und Hilfsmittel für die Erstgespräche mit ausländischen Neuzuziehenden erarbeitet, Sprachangebote geschaffen oder koordiniert, Beratungen für Migratinnen und Migranten ermöglicht oder Informationsanlässe zum Leben in der Schweiz organisiert.

In der zweiten Hälfte des Programms überwogen hingegen Projekte, die das gute Zusammenleben aller gesellschaftlichen Gruppen im Blick hatten – und dabei die spezifischen Bedürfnisse von Menschen mit Migrationshintergrund immer mitberücksichtigten.

Mit der Einführung der Kantonalen Integrationsprogramme (KIP) ab 2013 ergaben sich Synergien. Vom gemeinsamen Fokus auf die Integration und das Zusammenleben im ländlichen Raum konnten die KIP und «Periurban» gleichermassen profitieren. Dank «Periurban» bestanden in vielen Regionen bereits Angebote und regionale Ansprechpartner. Das erleichterte den Kantonen die Zusammenarbeit mit den Gemeinden.

Regionen und Programmphasen

Von 2008 bis 2011 nahmen fünf Projektregionen an «Periurban» teil. In der zweiten Programmphase von 2012 bis 2015 waren es acht Regionen, vier davon starteten ab 2012. In der dritten Phase von 2016 bis 2020 beteiligten sich neun Regionen – drei neue und sechs Projekte, die verlängert wurden. Die Projektverlängerungen waren immer mit dem Ziel der Verstetigung verknüpft und mussten entsprechend begründet werden.

Regionen und Programmphasen des Programms «Periurban»

Organisation, Kosten und Finanzierung

Gemeinden, Kantone und der Bund übernahmen gemeinsam die Steuerung der Projekte. Mindestens einmal jährlich fand ein nationaler Erfahrungsaustausch statt, mit einem Besuch in den Projektregionen und der Vertiefung eines Schwerpunktthemas.

Der Bund hat in den 14 Programmjahren rund CHF 4,3 Mio. Franken eingesetzt. Die personellen Aufwände im Sekretariat der EKM sind dabei nicht mitberücksichtigt. Die finanziellen Mittel des Bundes stammten aus dem Integrationsförderkredit für Modellvorhaben sowie Programme und Projekte von nationaler Bedeutung.

Für ein Finanzierungsgesuch mussten sich mindestens drei Gemeinden einer Region zusammenschliessen. Der Bund beteiligte sich an der Hälfte der Projektkosten mit maximal CHF 50 000 im Jahr. Die Kantone und Gemeinden trugen die andere Hälfte der Projektkosten, was zu Gesamtkosten von mindestens 7,9 Mio. CHF führte. Weil in einigen Regionen die Gemeinden und die Kantone zusätzliche Investitionen und Betriebskredite bewilligten, bewegen sich die eingesetzten Mittel insgesamt jedoch deutlich über 8 Mio. CHF.

Nutzen und Auswertung

Vom Programm konnten in den 13 Projektregionen in insgesamt 10 Kantonen über 120 Dörfer oder Gemeinden profitieren. Dass sich das Zusammenleben in allen Regionen zum Positiven verändert hat, ist den engagierten Akteurinnen und Akteuren vor Ort zu verdanken: Projektleitende, Steuergruppenmitglieder, Gemeinderätinnen und Gemeinderäte, freiwillig Engagierte, Schlüsselpersonen, Gemeindeangestellte, Vereinsmitglieder und viele Weitere.

Dank dem Zusammenspiel aller Involvierter und den geknüpften Netzwerken konnten Projekte oder Teile davon verstetigt werden. Mit der Unterstützung der Kantone können viele regionale Strukturen ihre Dienstleistungen auch weiterhin mit Leistungsverträgen anbieten und werden durch Gemeinden und Kanton finanziert.

Die Evaluation der drei Programmphasen und der Begleitmassnahmen wurden durch externe Mandate gewährleistet. Die Evaluationsberichte stehen hier zur Verfügung.

Das Werkstattbuch «Gutes Zusammenleben im ländlichen Raum» fasst nützliche Erkenntnisse für zukünftige ähnliche Projekte zusammen. Es illustriert, was in 14 Jahren «Periurban» geschaffen wurde und welche Empfehlungen sich daraus ableiten lassen. Zudem findet sich eine Vielzahl praktischer Hilfsmittel für die Projektgestaltung auf regionaler Ebene. Vor allem aber möchte das Werkstattbuch aufzeigen, dass es sich lohnt in das Zusammenleben zu investieren: Weil Prävention nach wie vor günstiger und sinnvoller ist als Intervention.

Letzte Änderung 06.04.2022

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