Differenziertere Anwendung von Zwangsmassnahmen
Bei der Begleitung der Sonderflüge richtete die Kommission ein besonderes Augenmerk auf die Anwendung von Zwangsmassnahmen, namentlich Fesselungen. Systematisch zur Anwendung kam die mittels Manschetten applizierte Teilfesselung; die Vollfesselung hingegen wurde nur in Ausnahmefällen bei besonders renitenten Personen eingesetzt. Im Vergleich zu den im November 2011 veröffentlichten Beobachtungen konnte sie in diesem Bereich eine differenziertere Anwendung feststellen. Dennoch müssen nach Ansicht der Kommission weiterhin Fortschritte erzielt werden, damit die Handhabung der Vollfesselung dank dem Einsatz deeskalierender Gesprächstechniken einzelfallgerechter erfolgt.
Problematischer Einsatz von Medikamenten
Die Kommission beobachtete vier Einzelfälle, in denen gegen den Willen der rückzuführenden Personen Beruhigungsmittel eingesetzt wurden. Sie erinnert in diesem Zusammenhang an die gesetzlichen Bestimmungen, namentlich Art. 25 Abs. 1 Zwangsmassnahmengesetz (ZAG), wonach Medikamente nie im Sinne eines Hilfsmittels, sondern nur bei medizinischer Indikation, wenn ein ernsthafter gesundheitlicher Schaden droht, oder das Leben oder die körperliche Integrität Dritter ernsthaft gefährdet ist, eingesetzt werden dürfen.
Als besonders bedenklich bezeichnete die Kommission den Einsatz von Ketamin. Dieses Anästhetikum scheint aus medizinischer Sicht kaum geeignet, um im Rahmen von Rückführungen auf dem Luftweg zur Beruhigung von psychischen Erregungszuständen eingesetzt zu werden. Ein von der Kommission in Auftrag gegebenes medizinisches Gutachten kam ausserdem zum Schluss, dass grundsätzlich keine psychotropen oder anästhetischen Substanzen zur Beruhigung der rückzuführenden Personen eingesetzt werden sollten.
Lückenhafter Austausch medizinischer Informationen
Die Kommission stellte im Berichtzeitraum vermehrt fest, dass der medizinische Informationsaustausch zwischen einigen Kantonen und den medizinischen Begleitpersonen aufgrund des Arztgeheimnisses erheblich beeinträchtigt ist. Medizinische Begleitpersonen müssen zwingenden Zugang zu sämtlichen für die Rückführung relevanten medizinischen Informationen haben, ansonsten eine Rückführung fahrlässig erscheint. Die Kommission stufte diese Praxis denn auch als äusserst bedenklich ein, da die Gesundheit der rückzuführenden Personen auf unnötige Weise gefährdet wird. Sie fordert die kantonalen Behörden deshalb auf, dringende Massnahmen zur Sicherstellung des medizinischen Informationsaustausches zu treffen.
Einheitliche Praxis bei den Zuführungen
Die Kommission begleitete insgesamt 33 Zuführungen in 16 Kantonen. Dabei stellte sie fest, dass sowohl Anhaltungen in der Zelle als auch die Anwendung von Zwangsmassnahmen zum Teil sehr unterschiedlich gehandhabt werden. Während in einzelnen Kantonen bei der Zuführung systematisch eine Vollfesselung angewendet wird, kommt diese in anderen nur als ultima ratio Massnahme zum Zug. Die Kommission hat den Kantonen deshalb empfohlen, aus Gründen der Verhältnismässigkeit, in diesem Bereich eine einheitliche Praxis anzustreben.
Seit Juli 2012 begleitet die NKVF sämtliche Rückführungen auf dem Luftweg der Vollzugsstufe 4 gestützt auf ihren gesetzlichen Auftrag.
Dokumente
- Bericht (PDF, 625 kB, 08.07.2013)
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Risque médicaux liés aux rapatriements sous contrainte de niveau 4 (PDF, 715 kB, 08.07.2013)
(Dieses Dokument steht auf Deutsch nicht zur Verfügung)
- Stellungnahme der NKVF zum Gutachten über die medizinischen Risiken bei Zwangsausschaffungen der Stufe 4 (PDF, 400 kB, 08.07.2013)
- Stellungnahme des Fachausschusses Rückkehr und Wegweisungsvollzug zum Bericht der NKVF betreffend das ausländerrechtliche Vollzugsmonitoring (PDF, 224 kB, 08.07.2013)
- Stellungnahme des Kantons Luzern (PDF, 133 kB, 08.07.2013)
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Prise de position du canton du Valais (PDF, 44 kB, 08.07.2013)
(Dieses Dokument steht auf Deutsch nicht zur Verfügung)
Letzte Änderung 08.07.2013